Selbstbau eines Rennsitzes für PC Rennsimulationen
Mit Hobbys ist es ja so eine Sache. Ich fahre halt gerne. Im realen Leben Motorrad und im virtuellen SimRacing. Obwohl ich nicht wirklich gut darin bin, habe ich im Lauf der Zeit mein Equipment immer weiter aufgestockt. Der Umstieg von der Tastatur zur Trustmaster Lenkrad/Pedal-Steuerung waren in GP3 ein Quantensprung. Nächster Schritt war ein Holzrahmen um die Pedalerie sicher gegen die Wand abzustützen. Als nächster Sprung wurde das über Gameport angeschlossene Lenkrad gegen ein Trustmaster USB Gerät mit Forcefeedback ersetzt, da der neue Spiele-PC keinen Gameport mehr hatte. Bei NFS - Porsche war Forcefeedback dann auch gleich ein echtes Aha Erlebnis. Nach Bruch des Bremspedals während eines Onlinerennens in der GTL Liga brachte dann der Ersatz (Logitech G25) noch H-Schaltung und Kupplung mit ins Spiel. Vor allem aber die H-Schaltung lies sich am PC-Schreibtisch nur suboptimal nutzen. Auch die Schwächen der Konstellation Chefsessel und der vom Tisch vorgegebenen Pedal/Lenkrad/Tastatur Geometrie zeigten sich mit dem verbesserten Geräten immer deutlicher. So entstand der Wunsch nach einem Rennsitz (neudeutsch - Raceseat), denn ich passgenau und platzsparend in die Dachschrägenecke unseres Arbeits/Computerzimmer stellen konnte.
Grobplanung
Mir war relativ schnell klar, dass ich nichts von der Stange haben wollte, da bei den in 2008 auf dem Markt angebotenen kommerziellen Lösungen meiner Meinung nach das Preis/Leistungverhältnis nicht stimmte und es ja in meine Ecke passen musste. Der Hauptkritikpunkt an den meisten käuflichen Raceseats aber ist nach meinem Dafürhalten der Steg zwischen den Beinen. Das ist für ein GoKart mit zwei Pedalen noch OK, aber bei 3 Pedalen kommt man zwangsläufig mit diesem Mittelsteg in Konflikt. Wenn man solch einen Mittelsteg als tragendes Teil für die Lenkradfixierung nicht haben möchte, bleibt nur ein langer Arm der vor der Pedalerie fixiert wird oder aber eine Art Tunnel in den man mit den Beinen einsteigen muss. Meine Werkstatt mit kleiner Tischkreissäge, Stichsäge, Standbohrmaschiene, Akkuschrauber, Raspel, Feile und Schraubstock legte als Baumaterial Vollholz-Latten und Standard-Vollholzbretter mit 16mm Dicke sowie Spax-Schrauben aus dem Baumarkt nahe. Aus diesem Grund habe ich mich für die Tunnellösung entschieden, da bei der Arm-Lösung eine solide Konstruktion mit Holz wohl recht aufwendig ist. Der Tunnel ist von sich aus leicht so stabil ausführbar, das man ihn auch gleich noch als Monitor Stellplatz benutzen kann.
Sitzsuche
Nach dem die groben Rahmenbedingungen festgelegt waren war der nächste Schritt, eine passende Sitzgelegenheit zu finden. Nach einigem hin und her bezüglich Rennschalen und gebrauchten Sportsitzen bei Ebay erwarb ich für 35€ einen sehr gut erhaltenen blauen Smart for Two Fahrersitz vom lokalen Schrotthändler inklusive Montageschienen (der Abfrackprämie sei Dank). Eine Rennschale sieht natürlich cooler aus, hat aber gegenüber einem normalen Autositz fürs SimRacing keinen Mehrwert, da die nicht real entstehenden Zentrifugalkräfte über die Seitenwände der Schale auch nicht kompensiert werden müssen. Das selbe gilt prinzipiell auch für Sportsitze. Mein Fokus bei der Sitzbeschaffung konzentrierte sich daher sehr schnell darauf, einen leichten, nicht zu voluminösen Sitz zu finden, auf dem man auch mal ein paar Stunden am Stück ausharren kann. Mit dem Smart for Two Sitz bin ich immer noch voll zufrieden.
Konstruktion
Grundrahmen mit Sitzmontage
Nun wurden die Details des Raceseat um den angeschafften Sitz herum geplant. Als zentrales Element meiner Konstruktion habe ich zwei auf dem Boden liegende parallel im Abstand der Sitzführungsschienen verlaufende stabile Vollholzlatten im Querschnitt von 45×56mm vorgesehen, welche vorne und hinten über angeschraubte Querleisten fixiert wurden und so einen Grundrahmen bilden. Die Querleisten sind länger ausgeführt als es der Abstand der Sitzführungsschienen vorgibt, um auf der einen Seite ein seitliches Umkippen des Raceseat zu verhindern und auf der anderen Seite Abstand zur Wand halten zu können. Eine weitere in den Grundrahmen eingepasste und verschraubte Querleiste auf Höhe des vorderen Sitzführungsschienenabschlusses sowie ein vorne bündig zwischen die Leisten und der vorderen Querleiste geschraubtes Bodenbrett sorgen für Stabilität. Um flexible Einstellmöglichkeiten zu haben, wurden 2 identische Holzkeile mit der Länge der Sitzführungsschienen aus den Vollholzlatten angefertigt und fest auf den Längsleisten verschraubt. Darauf wurde nun der Sitz mit seinen Führungsschienen montiert (Detailbild 01), sodass dieser beim nach vorne schieben gleichzeitig leicht mit angehoben wird. So ist nun eine einfache Sitzhöhenverstellung realisiert um dem Fakt Rechnung zu tragen, das Menschen mit längeren Beinen meistens auch einen längeren Oberkörper besitzen. Damit der Sitz sich auch bis zum hinteren Anschlag der Sitzführungsschienen bewegen läst musste natürlich mit der vorgegebenen Schräge Material aus der hinteren Querschiene geraspelt und gefeilt werden (Detailbild 02).
Tunnelkonstruktion
Als nächstes wurde die Tunnelkonstruktion erstellt, wobei ich auf eine Variationsmöglichkeit für die Lenkradhöhe über 2 Löchreihen in den Seitenwänden geachtet habe. Im Vorfeld hatte ich im Internet recht intensiv nach Informationen über die optimale Ergonomie eines Fahrerplatzes recherchiert, konnte aber keine allgemeingültigen Daten finden, außer, das der Fahrer sich wohl fühlen muss. Daher wurden die Abstände von Sitz zu Lenkrad zu Pedalerie zu H-Schaltung experimentell vor dem Zusammenbau festgelegt und eben relativ einfache Einstellmöglichkeiten vorgesehen.
Um dem Tunnel möglichst viel Stabilität mitzugeben wurde ein weiteres Lattenstück rechts und links auf dem Grundrahmen verschraubt, an denen sich die Tunnelkonstruktion seitlich abstützen kann. Diese Latten sind länger als der Tunnel tief ist, um bei Bedarf den Tunnel etwas weiter vorne oder hinten platzieren zu können (Lenkradtiefenverstellung). Abschrägungen an den Enden dieser Zusatzleisten sorgen für einen etwas einfacheren Tunneleinstieg für die Füße und optische Gefälligkeit. Auch wurde an der Tunnelkonstruktion ein zweites Querbrett oberhalb des Lenkradträgerbrettes vorgesehen. Dieses dient nicht nur der weiteren Stabilisierung sondern auch, wie bei der Grobplannung schon angedacht, als Monitortisch und Mausablage. Da ich Rechtshänder bin habe ich bei diesem Brett auf die Symmetrie der Konstruktion verzichtet und lasse es rechts über den Tunnel hinausragen. So gibt es mehr Platz für das Mauspad. Um mit dem Monitor nicht zu hoch zu bauen wurde dieses Brett auch noch so ausgeschnitten, dass es nicht mit dem hinteren Teil des darunter montierten Lenkrades kollidiert.
Um den Einstieg mit den Beinen in den Tunnel weiter zu erleichtern und noch Platz für eine Tastatur zu schaffen wurde der Tunnel breiter konstruiert als die Grundleisten dies vorgaben. Die entstandene Lücke wurde symmetrisch mit im unteren Bereich der Seitenbretter angeschraubten weiteren Brettern ausgeglichen (Detailbild 03). Ein Ausziehbrett knapp unter der Lenkradhalterung nimmt die Tastatur auf. Denn fertig gebauten Tunnel habe ich dann erst mal beiseite gelegt und mich um die Pedalerie gekümmert.
Befestigung der Pedaleinheit
Auf das dem Grundträger Festigkeit verleihende Bodenbrett wurde die Pedaleinheit platziert und mit passend zugeschnittenen Holzteilen über Schrauben fixiert (Detailbild 04 und Detailbild 05). Dieses Bodenbrett ist bewusst deutlich länger als die Pedaleinheit tief ist, damit man mit den Fußsohlen keine störende Kante im Aktionsbereich hat. Mit fixierter Pedaleinheit habe ich den Sitz final eingestellt und den beiseitegelegten Tunneln herrangeholt und in der für mich optimalen Position an den doppelten Grundrahmenleisten verschraubt. Zugegebenermaßen muss man an die 20 Schrauben lösen um die Lenkrad zu Pedal Geometrie zu ändern, aber mir ist eine Lenkradfiexierung ohne mechanisches Spiel wichtiger.
Halterung der H-Schaltung
Zu guter Letzt ging es noch um die Platzierung der G25 H-Schaltungseinheit. Ein weiterer Vorteil des Tunnels ist, das man daran auch die Halterung für die Schaltung befestigen kann. Auch hier wurde mit zwei aufeinander geschraubten Brettchen als Auflage und Befestigungspunkt der H-Schalteinheit für Stabilität gesorgt. Die Brettchen wurden auf einer seitlich an die rechte Tunnelwand angeschraubten Leiste ebenfalls verschraubt (Detailbild 06). Hier habe ich etwas mehr konstruktiven Aufwand spendiert, damit man über ein zusätzliches größeres Auflagebrettchen die Schalteinheit gegen einen Joystick austauschen kann. Dieses Joystickbrettchen wird mit Hilfe einer weiteren darüber an der Seitenwand angeschraubten Leiste verklemmt und über zwei Passungslöcher mit Alurohr-Bolzen durch die drei Brettchen hindurch gegen verrutschen gesichert.
Nachträglich durchgeführte Verbesserungen
Im Lauf der Nutzung findet man ja immer doch noch Themen, die nicht ganz so optimal umgesetzt sind, oder wo sich die Nutzungsanforderungen ändern und Verbesserungen notwendig machen. Angefang hatte dies mit dem Umbau einer G27 H-Schaltung, sodass sie mit meinem G25 am Raceseat funktioniert.
Versteifung Lenkseule
Als Zweites war ich mit der Steifigkeit der G25 Lenkradbefestigung irgendwann nicht mehr so ganz zufrieden. Im Eifer des Renngeschehens, vor allem bei Dirttrack Rennen wo schnelle Richtungskorrekturen gefragt sind, zeigte sich das Lenkradträgerbrett doch flexibler als mir lieb war. Nachdem das Festziehen der relevanten Spax-Schrauben keine Besserung brachte, habe ich die Konstruktion mit 2 Stabilisierungsbrettern (Detailbild 07) weiter verstärkt. Diese sind rechts und links vom Lenkrad zwischen dem Lenkradträgerbrett und dem oberen Querbrett, das ja als Monitorständer und Mausablage dient, verschraubt. Die zwei Bretter gehen fast über die gesamte Tiefe des Tunnels, um möglichst viel Stabilität zu erzeugen und so ein sauber differenziertes Lenkgefühl zu erzeugen.
Verbesserte Monitorhalterung
Der 23 Zöller mit TV war ja ganz nett, aber da das Bessere des guten Feind ist und ich noch Luft bis zur Dachschräge hatte, war da plötzlich ein curved 27 Zöller am Raceseat platziert. Mit dem dazugehörigen Standfuß war dieser für ein ergonomisches Arbeiten aber zu hoch. Um den Monitor auf ein passendes Niveau zu bekommen habe ich mir einen VESA Wandhalter besorgt, der über eine Holzkonstruktion (Detailbild 08) an den oberen zwei Querbrettern des Tunnels befestigt ist. So kann der Monitor für den Einsatzzweck optimal positioniert werden, da der Wandhalter in alle Richtungen sowohl neig- als auch schwenkbar ist. Für die notwendige Kabelführung habe ich mittig noch ein Loch in das Brett gebohrt, das alles seine Ordnung hat und das Mittendrin-Gefühl nicht gestört wird.
Wegen Unachtsamkeit meinerseits hat der 27 Zöller 3 Jahre später seinen Geist aufgegeben. Wegen der Tieferlegung über die Motorhalterung war ja immernoch etwas Platz zur Dachschräge. Es hat gerade so für einen 32 Zöller gereicht. ;)
Resüme
Der Bau benötigte inklusive Verkabelung zwei volle Arbeitstage. Die Beträge für Holz und Schrauben habe ich nicht zusammengerechnet und kann daher keine genauen Angaben machen. Es waren aber zusammen mit Kleinkram wie ausschaltbarer Steckdosenleiste und Holzhacken für den Kopfhörer keine 50€. Da ich meinen Spielerechner allerdings auch weiterhin am Schreibtisch nutzen wollte kammen für mich noch die Anschaffung eines weitern Tastatur/Mause-Sets (Kabellos/USB) und eines zusätzlichen TFT-Monitors dazu. Als zusätzliches Schmankerl hat der TFT eine Kabel-TV-Empfangseinheit. So läßt sich auch artgerecht Motorsport gucken.
Durch den Raceseat bin ich jetzt nicht zum Spitzenfahrer avanciert, aber ich habe fest gestellt, das ich deutlich leichter reproduzierbare Rundenzeiten (auf gleichem Niveau wie ohne Rennsitz) zustande bringe. Auch geht es für mich nun besser über die Distanz, da ich entspannter agieren und so die Konzentration länger halten kann. Für mich haben sich die zwei Arbeitstage voll gelohnt, da ich mich in meinem Rennsitz deutlich wohler fühle. Der Geak-Faktor für Freunde und Familie, die den Sitz im Arbeitszimmer zu Gesicht bekommen ist allerdings auch enorm und hat schon zu so mancher Belustigung und heftigem kopfschütteln geführt. Bei Proberunden sind die Kritiker aber dann doch recht beeindruckt wie real sich das ganze anfühlt.